GVA - Handeln für Wettbewerb

12 13 DER ZUGANG ZU FAHRZEUG- UND ERSATZTEILIDENTIFIKATI- ONSDATEN Jedem Kraftfahrzeug ist eine eindeutige Identifika- tionsnummer (VIN) zugeordnet. Die Automobilher- steller erstellen für ihren Teilevertrieb Ersatzteil- Kataloge, in denen ihre Ersatzteilnummern, die sog. OE-Nummern, mit einem Fahrzeug anhand genau dieser eindeutigen VIN verknüpft sind. Wird also ein Ersatzteil für ein bestimmtes Fahrzeug benötigt, kann man durch die Eingabe der VIN sehr leicht und schnell das richtige Ersatzteil im elektronischen Ka- talog des Automobilherstellers finden – aber aus- schließlich das Teil des Automobilherstellers. Andere Ersatzteil-Anbieter haben keinen adäqua- ten Zugang zu der VIN. Es wird daher zunehmend schwieriger, das Fahrzeug und seine Komponenten eindeutig zu bestimmen, und ihr das Ersatzteilange- bot eindeutig zuzuordnen. Freie Anbieter müssen einen immer größeren Aufwand betreiben, um ihren Kunden eine exakte Teileidentifikation bieten zu kön- nen. Die steigende Zahl von Ausstattungsvarianten und elektronischen Systemen lässt eine manuelle Zuordnung der Ersatzteile zu “passenden Fahrzeu- gen” immer aufwändiger werden. Die Verordnung (EU) Nr. 715/2007 sieht etwa vor, dass die Fahrzeug- hersteller die Verbindung zwischen der Fahrzeugi- dentifikationsnummer und ihren OE-Teile-Nummern inkl. der Teilebeschreibung weitergeben müssen, um eine eindeutige Kfz-Ersatzteilidentifikation zu ermöglichen, die auch vom freien Aftermarkt ge- nutzt werden kann. Der GVA setzt sich dafür ein, dass die Fahrzeughersteller diesen Verpflichtungen nachkommen. In der neuen Typgenehmigungsrah- menverordnung (EU) 2018/858, die seit September 2020 zur Anwendung kommt, werden diese Pflich- ten nochmals präzisiert. DIE EUROPAWEIT EINHEITLICHE LIBERALISIERUNG DES MARKTES FÜR DESIGNGESCHÜTZTE KFZ- ERSATZTEILE Die Richtlinie 98/71/EG von 1998 regelt, dass die Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teils davon unter bestimmten Voraussetzun- gen geschützt werden kann. Dieser Schutz gewährt seinem Inhaber das ausschließliche Recht, diese Erscheinungsform – oder besser: das Design – zu benutzen. Deshalb wird diese Richtlinie auch kurz „Designrichtlinie“ oder „Designschutz“-Richtlinie genannt. Übertragen auf die Automobilbranche be- stimmt die Richtlinie, dass das Design (die Erschei- nungsform/das Aussehen) eines Fahrzeugs ge- schützt werden kann. Das ergibt Sinn, denn so kann verhindert werden, dass etwa ein Wettbewerber ein Auto auf den Markt bringt, das genauso aussieht wie das Konkurrenz-Modell. Komplexe Erzeugnisse wie Autos bestehen aus einer Vielzahl einzelner Tei- le. Wenn das Auto – etwa durch einen Unfall – be- schädigt wird, werden Ersatzteile ein- und angebaut, damit es wieder fährt und so aussieht wie vorher. Die Ersatzteile müssen zwangsläufig den ur- sprünglichen Teilen des Autos in ihrer genauen Form und ihren Abmessungen entsprechen, sonst passen sie nicht. Nach der Designrichtlinie von 1998 sind deshalb die meisten Ersatzteile vom Designschutz ausgenom- men (zum Beispiel die „Teile unter der Haube“, also Ersatzteile, die man nicht sieht). Allerdings konnte man sich damals in Bezug auf eine bestimmte Grup- pe von Ersatzteilen nicht einigen und „vertagte“ das Thema auf eine geplante Revision der Richtli- nie: Betroffen davon sind Ersatzteile, die bei einer Autoreparatur zur Wiederherstellung der ursprüng- lichen Erscheinungsform des Autos verwendet wer- den, also z.B. Motorhaube, Kotflügel, Außenspiegel, Scheiben, Scheinwerfer und Rückleuchten. Kurz: Es geht um sichtbare, karosserieintegrierte Ersatzteile. Während die Automobilhersteller das Designrecht an diesen Teilen – wie am Gesamtfahrzeug – für sich reklamieren, argumentieren die Befürworter einer Liberalisierung, dass es keinen Designschutz für Er- satzteile – auch nicht für sichtbare – geben darf, da es bei Reparaturen keine Designalternative gibt. Fachleute bezeichnen die entsprechende rechtliche Regelung, die dies gewährleisten würde, als Repa- raturklausel. Allerdings sind Versuche, eine europäi- sche Lösung herbeizuführen, bislang gescheitert. Nachdem Deutschland eine Reparaturklausel in sein nationales Designrecht eingefügt hat, setzt sich der GVA für eine EU-weite einheitliche Einführung der Reparaturklausel ein. DIE GRUPPENFREISTELLUNGS- VERORDNUNG FÜR DEN KFZ- ERSATZTEIL- UND SERVICE- MARKT Der aktuelle Wettbewerbsrahmen des Kfz-Aftermar- ket trat am 1. Juni 2010 trat in Kraft. Er soll wich- tige rechtliche Grundlagen für Wettbewerb im Kfz- Aftermarket sichern. Von besonderer Bedeutung für die Unternehmen des freien Kfz-Ersatzteil- und -Ser- vicemarktes ist die Gruppenfreistellungsverordnung (EG) Nr. 461/2010 („Aftermarket-GVO“) und die sie begleitenden Leitlinien. Der GVA hat den Gesetz- gebungsprozess damals konstruktiv begleitet und verfolgt fortlaufend die Einhaltung der Regeln durch die Akteure der Branche. Die Verordnung und die begleitenden Leitlinien zielen darauf ab, die Grundla- gen für Wettbewerb im Kfz-Aftermarket zum Wohle der Verbraucher zu sichern und die Lebensnerven der Unternehmen aus Teileindustrie und Teilehandel sowie der Servicebetriebe wirksam zu schützen. Zu diesen Lebensnerven zählen: 1. Der Zugang der Akteure des Independent After- market zu den Reparatur- und Wartungsinforma- tionen der Fahrzeughersteller. 2. Der Zugang der Mehrmarkenservicebetriebe zu allen Ersatzteilen der Fahrzeughersteller. 3. Die Möglichkeit der vertragsgebundenen Servi- cebetriebe, Produkte im freien Markt zu kaufen. 4. Die Möglichkeit für die Teileindustrie, ihre Pro- dukte direkt an den Aftermarket zu liefern und ihr Markenzeichen auch auf Fahrzeugherstellern zugelieferten Teilen anzubringen („Double-Bran- ding“). 5. Die Definition des Begriffes „Originalersatzteil“ auf Grundlage der Teilequalität und nicht der Tei- leherkunft. Wettbewerbspolitische Forderungen des GVA

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