Aftermarket-GVO Chancen für KFZ-Teilehandel - page 3

Der Teileabsatz
Der Vertrieb von Teilen des freien Marktes an die Servicebetriebe
der Fahrzeughersteller ist grundsätzlich möglich, da diese in ihrer
Bezugsfreiheit nur bedingt durch den jeweiligen OEM einge-
schränkt werden dürfen. Der Fahrzeughersteller darf „seine“
Servicebetriebe lediglich dazu verpflichten, ausschließlich Teile
zu verwenden, die seiner Reputation nicht abträglich sind
(„qualitätsgleiche Ersatzteile“) oder die nach den Spezifikationen
und Produktionsnormen gefertigt sind, die der OEM für den Bau
des betreffenden Kfz vorschreibt („Originalteile“).
Für den freien Markt ist es möglich, mit dem „Originalersatzteil“
Begriff zu werben. Für den Adressaten muss allerdings klar
ersichtlich sein, dass es sich nicht um ein Produkt des Fahrzeug-
herstellers handelt. Dass der Begriff „Originalteil“ wie in der GVO
verwendet wird, kann durch einen erläuternden Zusatz klargestellt
werden.
Den Unternehmen des freien Kfz-Teilehandels ist von den
Fahrzeugherstellern Zugang zu technischen Informationen zu
gewähren. Dazu zählen auch Informationen, die der Teilehandel
benötigt, um die von den Werkstätten benötigten Komponenten
eindeutig zu identifizieren.
Wie in allen Vertriebsverträgen sind die Grenzen des Kartellrechts
auch in Verträgen zwischen Großhandel und Konzeptwerkstätten
zu beachten, etwa hinsichtlich unverbindlicher Preisempfeh-
lungen. Da freie Kfz-Teilegroßhändler in der Regel nicht die
relevante Marktanteilsschwelle von 30 Prozent überschreiten,
sind etwa Vertriebsvereinbarungen mit Mindestabnahmemengen
für Ersatzteile möglich. Eine Alleinbezugsverpflichtung ist freige-
stellt, sofern die Vertragslaufzeit fünf Jahre nicht überschreitet.
Bei einer Vertragslaufzeit von über fünf Jahren ist eine vereinbarte
Mindestabnahmemenge von 80 Prozent zulässig.
Dauerthema Gewährleistung
Die neuen Leitlinien stellen klar, dass ein Fahrzeughersteller
die gesetzliche Gewährleistung oder Garantieansprüche weder
von der Reparatur oder Wartung eines Fahrzeugs in seinem
Netz, noch von der Verwendung von Ersatzteilen seiner eigenen
Marke abhängig machen darf. Der Fahrzeughalter soll sein
Eigentum in einer Werkstatt seiner Wahl warten oder reparieren
lassen können, ohne Nachteile bei der Beseitigung von Produk-
tionsfehlern seitens des Herstellers befürchten zu müssen.
Nach Auffassung der EU-Kommission sind auch erweiterte
Garantien, mit denen zahlreiche Fahrzeughersteller ihre Neu-
fahrzeuge bewerben, kartellrechtsrelevant und werden kritische
Beobachtung finden. Anderes ergibt sich auch nicht aus der
Rechtsprechung – das in diesem Zusammenhang oft angeführte
Urteil des Bundesgerichtshofs zur Durchrostungsgarantie von
Mercedes-Benz (BGH vom 12.12.2007, Az. VIII ZR 187/06)
hat die Frage der Vereinbarkeit mit dem Kartellrecht nur offen
lassen müssen, weil der entsprechende Sachvortrag verspätet
erfolgte.
Einschränkungen des Rechts zur freien Wahl der Werkstatt
können sich aus Leasing- oder Finanzierungsverträgen ergeben.
Auch für separat erworbene Anschlussgarantien kommen
Ausnahmen in Betracht.
Der Fahrzeughersteller darf Vorgaben machen, welche Teile
eine Werkstatt zu verwenden hat, soweit es sich um Arbeiten im
Rahmen von Rückrufaktionen, Fehlerbeseitigung oder Kulanz
handelt. In diesen Fällen wird die Arbeit der Werkstatt nicht
vom Fahrzeughalter vergütet, sondern vom Hersteller. Entspre-
chend gilt der Grundsatz „Wer die Musik zahlt, bestimmt was
gespielt wird.“
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